"Sollte ich zur KI lieber bitte sagen?"

Beim Netzwerktreffen "Herrenabend mit Damen": TU-Direktor Dr. Andreas Rausch sieht Künstliche Intelligenz bereits sehr nah am echten Menschen

Bad Harzburg/Goslarsche (von Christoph Exner). Wer den Begriff "Herrenabend" hört, dem mag die verstaubte Vorstellung älterer Männer in Anzügen in den Sinn kommen, der mag an Zigarrenqualm und Cognac denken. Ganz anders ist jedoch der Bad Harzburger "Herrenabend", der am Freitag zum 14. Mal im Bündheimer Schloss stattfand. Auch wenn zumindest das mit das mit den Anzügen auf ihn zutrifft - wobei: auch nicht auf alle Personen. Gastredner Professor Dr. Andreas Rausch, geschäftsführender Direktor der TU-Clausthal, war nämlich ganz leger in orangefarbenem Hoodie und Jeans gekommen. So wie ein Informatiker eben, begründete er schmunzelnd und hielt anschließend einen spannenden Vortrag zum Thema Künstliche Intelligenz.

"Herrenabend mit Damen" ist ohnehin nur der Beiname eines Netzwerktreffens, das eigentlic "Wirtschaftsgesrpäche im Schloss" heißt. Ausgerichtet und finanziert wird es von Sponsoren, den Unternehmen Bad Harzburger Mineralbrunnen, der Benzing HSB GmbH, der Goslarschen Zeitung, der Spedition Hahne, der Hasseröder Brauerei, der Firma Junicke & Co., der Glötzer GmbH, der Firma Schierker Feuerstein, den Kur-, Tourismus- und Wirtschaftsbetrieben Bad Harzburg, den Steuerberatern Kregel & Regent, dem Malerbetrieb Vetter und der Harzer Volksbank. Die Sponsoren laden ihrerseits Gäste ein, für die der Abend bei rustikalem Buffet - gezaubert von der Fleischerei Leiste - kostenlos ist. Dafür werden sie jedoch gebeten, an die Bad-Harzburg-Stiftung beziehungsweise den Lions-Club Walburga Bad Harzburg zu spenden. Diese beiden Organisationen wiederum verwenden das Geld dann für Projekte zugunsten von Kindern und Jugendlichen. 

"Igel in der Tasche"

Die Harzburg-Stiftung unterstützt dabei nur in der Kurstadt, die Lions-Damen tun dies auch über die Stadtgrenzen hinaus. Finanziert wurden in der Vergangenheit beispielsweise Tonie-Boxen für die Stadtbücherei oder jüngst Wettkampfanzüge für die Sportler der TSG. Beim letzten "Herrenabend", im Herbst 2023, habe der eine oder andere Gast aber wohl einen "Igel in der Tasche gehabt", beklagte Hans-Heinrich Haase-Fricke, ehemaliger Volksbank-Vorstand und Sprecher der Sponsoren, und umschrieb damit ein geringeres Spendenergebnis als erwartet.

Womöglich sieht es nach diesem "Herrenabend" besser aus. Für den gestrigen Freitag habe man nämlich die bislang höchste Zahl an Anmeldungen gezählt , 180 Personen hätten ihr Kommen zugesagt, sodass zum ersten Mal zusätzliche Tische neben der Bühne aufgestellt werden mussten, berichtete Haase-Fricke. Zudem seien "ganz viele junge neue Gäste" dabei gewesen. Netzwerken, verbunden mit einem Vortrag und einem guten Essen sei also offenkundig wieder angesagt, freute sich der Sponsorensprecher. Die Corona-Pandemie sei endgültig vorbei und habe, zumindest was den "Herrenabend" betrifft, keine Spuren hinterlassen.

Nachgebaute Neuronen

Ebenso jung und mit einem brandaktuellen Thema daher kam Dr. Andreas Rausch, seines Zeichens Experte für das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Der aus Bayern stammende TU-Professor sprach über die Entwicklung der KI und ihre praktische Anwendung. Er ging der Frage nach, ob KI als echte Innovation zu verstehen ist oder womöglich nur als vorübergehender Hype. Ein komplexes Thema, das eigentlich mehr Raum als den "Herrenabend" gebraucht hätte. So musste Rausch etliche Folien seiner Präsentation überspringen, obwohl sein Vortrag bereits länger dauerte als für die Veranstaltung üblich. 

Was ist das eigentlich, diese KI? Im Grunde funktioniert sie wie das menschliche Gehirn. Dort finden sich rund 100 Milliarden Neuronen. Für eine KI müssen diese Neuronen digital nachgebaut werden. Erste Ideen, wie das funktionieren könnte, gab es laut Rausch bereits 1943. Eines wurde in der Folge sogar schon künstlich geschaffen. 1974 wurde dann das maschinelle Lernen erfunden, künstliche Neuronen konnten sich von da an also theoretisch selbstständig verbessern. Doch warum kommt die KI dann erst jetzt so richtig zum Einsatz? Die Antwort darauf ist recht simpel: Erst heutzutage sind die Computer leistungsfähig genug, um auch wirklich etwas mit künstlichen Neuronen anzufangen. Zum Vergleich: Während vor rund 50 Jahen drei bis vier Operationen pro Sekunde möglich waren, sind es heute in gleicher Zeit mehrere Billionen. 

"Das ist unheimlich"

Rausch zeigte, wie die KI angelernt wird, wie ihr beispielsweise beigebracht wird, Bilder verschiedener Gegenstände zu erkennen und zu unterscheiden. KI kommt heutzutage in den verschiedensten Bereichen zum Einsatz, etwa bei der Hochwasserprognose oder beim autonomen Fahren. In der Krebszellenerkennung sei sie sogar bereits besser als der Mensch, erklärte Rausch. Und auch in ersten Waffensystemen werde KI mittlerweile eingesetzt. Durch den richtigen Einsatz von KI ließen sich in Unternehmen schon heute Hunderte Millionen Euro einsparen. 2017 wurde eine KI entwickelt, Alpha Zero, die selbstständig verschiedene Spiele lernen sollte, darunter auch Schach. Innerhalb eines halben Tages sei sie laut Rausch so gut gewesen, wie ein Schachmeister. Eine andere, Deepseek V3, kann bereits während des Beantwortens einer Frage das Gefragte reflektieren und womöglich kurze Zeit später eine noch bessere Antwort geben. "Das ist unheimlich" raunte es im Publikum, als Rausch das erzählte.

Tatsächlich sei man aktuell schon sehr nah dran, die KI als eine echte Person zu sehen. "Ich überlege mir beispielsweise bei der Kommunikation mit ihr schon genau, wie ich sie anspreche und ob ich lieber bitte sagen sollte, wenn ich etwas von ihr will", gab Rausch zu. Der Fachmann zeigte aber auch Beispiele in welchen Bereichen die KI noch nicht so gut funktioniert. An der TU Clausthal wurde eine Software entwickelt, die KI in solchen Fällen überwacht und ihr beim Lernen hilft. Auf dem Gebiet sei man in der Berg- und Universitätsstadt führend, berichtete Rausch stolz. Und was meint der Experte - ist die KI nun eine Bedrohung oder doch eine echte Chance? "Sie ist beides", gab sich Rausch zum Ende seines Vortrags diplomatisch. Womöglich hat sie das Zeug dazu, den Menschen eines Tages auf die nächste Stufe der Evolution zu heben.

Die Sponsoren des Herrenabends um ihren Sprecher Hans-Heinrich Haase-Fricke (Mitte) und Gastredner Andreas Rausch (4.v.li.).